Deutscher Gewerkschaftsbund

15.11.2011

Metropolengewerkschaften 2011 in Frankfurt am Main

Erklärung der Gewerkschaften aus den Metropolenregionen

Barcelona, Mailand, Lyon und Frankfurt am Main

 vom 15.11.2011 in Frankfurt am Main

Wir stehen an der Seite unserer Kolleginnen und Kollegen in Griechenland. Wie auch wir wollen sie Gute Arbeit, soziale Gerechtigkeit, Überwindung von Armut und eine Zukunft in Würde. Doch Profitgier, Spekulantentum und Machtmissbrauch der Finanzinvestoren halten die Welt weiter in Atem.

Die drakonischen EU-Sparauflagen gegen die griechische Bevölkerung weisen wir zurück. Denn privater Konsum und Wirtschaft würden weiter schrumpften, die Arbeitslosigkeit ansteigen und durch sinkende Steuereinnahmen der Schuldenberg wachsen. Das Land triebe noch schneller in den Ruin.

Gemeinsam verlangen wir die Profiteure der Rettungsschirme an den Krisenkosten zu beteiligen, die Kontrolle der Großbanken und eine Finanztransaktionssteuer. Die Einmischung der sog. Troika in die Tarifautonomie empfinden wir als Schlag gegen uns alle. Denn was in Griechenland begänne, würde sich in anderen Ländern fortsetzen. Griechenland braucht ein Aufbau- und Entwicklungsprogramm. Das kann Griechenland und Europa retten.

Die europäische Politik und die der Mitgliedsstaaten muss, um die Wirtschaft zu unterstützen, eine Neuorientierung erfahren, d.h. in allen folgenden Bereichen ein besonderes Augenmerk legen auf: den Qualifikationszuwachs, den Anstieg der Beschäftigungsrate und die Weiterentwicklung des öffentlichen Dienstes.

Aber auch die anderen Länder, vor allem die stark verschuldeten Länder Südeuropas und Ostmitteleuropas haben einen Kurs harter Einschränkungen und Kürzungen bei öffentlichen Ausgaben und Löhnen eingeschlagen. Besonders die deutsche Regierung hat zu einer solchen Politik gedrängt und dafür gesorgt, dass sie im Euro-Plus-Pakt und in den verschärften Regeln zur wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU verankert wurden.

Dieser Kurs lässt Nachfrage und Wachstum in den betroffenen Ländern sinken. So wird zwar möglicherweise auch eine Annäherung bei den außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten erreicht, allerdings zu Lasten der Lebensbedingungen der Mehrheit der Bevölkerung. Und mit der Gefahr verbunden, dass eine Spirale nach unten in Gang gesetzt wird. So ist das größte Risiko für die weitere konjunkturelle Entwicklung die Krise der Eurozone.

Eurokrise ungelöst
Die große Finanzmarktkrise hat die Staatsschulden explodieren lassen. Die Regierungen der Eurostaaten haben diese Krise bis heute nicht in den Griff bekommen. Im Gegenteil: Die Sparauflagen haben die südeuropäischen Volkswirtschaften ruiniert. Die Wirtschaftskrise der Mittelmeerländer hat unmittelbar negative Folgen für die deutsche Exportwirtschaft. Jedes Jahr exportieren deutsche Unternehmen Waren im Wert von 100 Milliarden Euro in den Süden der Eurozone. Wenn die Kunden aber kein Geld mehr haben, stockt die Ausfuhr. Der gesamten europäischen Wirtschaft droht jetzt eine Rezession.

Die Politik bekämpft nicht die wirklichen Ursachen der Krise.
Bis heute werden die realwirtschaftlichen Ursachen der Eurokrise nicht angegangen. Die nationalen Preise und Löhne haben nach der Einführung des Euro unterschiedliche Richtungen genommen. Das hat Auswirkungen auf die Handels- und Kapitalströme. Länder mit geringen Preis- und Lohnzuwächsen – wie Deutschland, Holland oder Österreich – können mehr Waren im Ausland absetzten. Länder mit starkem Preis- und Lohnanstieg – wie Griechenland, Spanien Italien – haben an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Wer dauerhaft mehr Waren ein- als ausführt, droht irgendwann im Schuldenmeer zu ertrinken. Ohne steigende Preise und Löhne in den Überschussländern wird die Schere auch zukünftig nicht geschlossen. Der Zusammenbruch des Währungsraums wäre dann vorprogrammiert.

Darüber hinaus sind die europäischen Finanzmärkte weiterhin entfesselt. Spekulanten können ungehindert auf die Pleite einzelner Staaten spekulieren. Banken sind noch immer zu groß zum Sterben. Deswegen können die Finanzmärkte die Politik weiter vor sich her jagen.

Die EU-Staatschefs hetzen von Krisengipfel zu Krisengipfel. Auf dem letzten Brüsseler Spitzentreffen einigten sie sich auf eine Aufstockung des Rettungsschirms, einen Schuldenerlass für Griechenland und eine Rekapitalisierung der europäischen Banken. Der Rettungsschirm (EFSF) soll zukünftig mit mehr Finanzkraft ausgestattet werden. Durch eine Teilkaskoversicherung – Merkels Vorschlag – soll Investoren der Kauf von unsicheren Staatsanleihen schmackhaft gemacht werden. Dieser Hebel reicht jedoch nicht aus, um den kriselnden Euroschwergewichten Italien und Spanien unter die Arme zu greifen. Alternativ wollte der französische Präsident Sarkozy den Rettungsschirm mit einer Banklizenz ausstatten. In diesem Fall wäre der Rettungsschirm durch die Europäische Zentralbank finanziert worden. Er hätte über eine unendliche Finanzkraft verfügt. So hätte der Rettungsschirm die dauerhafte Finanzierung der Krisenstaaten durch den Kauf von Staatsanleihen sicherstellen können. Angela Merkel hat diese große Lösung verhindert. Folglich tickt bereits die Uhr für den nächsten Krisengipfel.

Darüber hinaus vereinbaren Europas Staatenlenker einen Schuldenschnitt für Griechenland. Die Politik knöpft sich endlich die Verursacher der Krise vor, so die Brüsseler Botschaft. Durch eine Umschuldung wird der Euro aber nicht gerettet. Die Ansteckungseffekte für andere Schuldenstaaten und das Bankensystem sind sehr groß. Die Finanzmärkte wetten sofort auf den nächsten möglichen Schuldenschnitt für Madrid oder Rom.

Die Rettung der Banken ist keine Alternative zur Rettung der Staaten
Des Weiteren wollen die EU-Staatschefs die dünnen Eigenkapitalpolster der Geldhäuser mit mehr als 100 Milliarden Euro auffüllen. Die Bankenrettung ist aber keine Alternative zur Staatenrettung. Wenn ein Staat pleite geht, dann reißt er die Banken mit in den Abgrund.

Somit rettet auch eine gut gemachte Bankenrettung dem Euro nicht das Leben. Solange Athen, Madrid und Lissabon weiter tot gespart werden, hat die gemeinsame Währung keine Zukunft. Im laufenden Jahr kostet die Sparpolitik jedem griechischen Haushalt im Schnitt 5.600 Euro. Die Einkommenseinbußen drosseln den privaten Konsum. Das hellenische Wachstum schrumpfte dieses Jahr um über fünf Prozent. Bis 2014 soll Athen weitere 34 Milliarden Euro oder 15 Prozent seiner Wirtschaftsleistung einsparen. Wenn diese Operation gelingt, dann ist der Patient endgültig tot.

Südeuropa kann sich nur durch Wachstum aus der Schuldenfalle befreien. Statt neuer Sparauflagen hätte Brüssel jetzt ein Aufbau- und Entwicklungsprogramm für den Süden – eine Art Marshallplan – auflegen müssen. Statt die Refinanzierung der Krisenstaaten durch eine Entkopplung der Staatsfinanzierung von den Kapitalmärkten – Banklizenz – dauerhaft sicherzustellen, feilschen Merkel, Sarkozy & Co über jede neue Infusion. Dieses Krisenmanagement schaufelt der Währungsunion das Grab

Die in Frankfurt während des Kongresses versammelten Gewerkschaften werden ihre Aktionen weiter verfolgen für eine europäische Politik zu Gunsten der Arbeitnehmer.

Sie haben zugesichert, die geknüpften Kontakte weiterhin zu pflegen und sich gegenseitig zu informieren, um Aktionen, in jeder ihrer Städte zu koordinieren. Sie erwünschen sich und erwarten eine weit aus offensivere Politik der CES (Conféderation européenne des syndicats = europäischer Gewerkschaftsbund).

Die europäische Politik und die der Mitgliedsstaaten muss, um die Wirtschaft zu unterstützen, eine Neuorientierung erfahren, d.h. in allen folgenden Bereichen ein besonderes Augenmerk legen auf: den Qualifikationszuwachs, den Anstieg der Beschäftigungsrate und die Weiterentwicklung des öffentlichen Dienstes.

Die nächsten Metropolenkonferenzen finden statt:
2012 in Milano,
2013 in Lyon,
2014 in Barcelona,
2015 in Milano (große Konferenz)

CCOO del Barcelones
CGIL Milano
CISL Milano
CGT Lyon
UGT de Catalunya
DGB Region Frankfurt-Rhein-Main

Frankfurt am Main, den 15.11.2011

 

 


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